Wer sich für Filme interessiert, die sich um schräge, entfremdete Charaktere drehen, kommt kaum an den Filmen von Gus van Sant (geb. 24. Juli 1952) vorbei. Mit Meisterwerken wie „My Private Idaho“, Drugstore Cowboy und „Milk“ schuf van Sant authentische Milieustudien, die in der Filmgeschichte ihresgleichen suchen.
Van Sant ist der Sohn eines Handelsverteters für Bekleidung. Durch den Beruf seines Vaters zog die Familie in seiner Jugend häufig um. Schon früh hatte van Sant lebhaftes Interesse am Malen und Zeichnen sowie der Super-8-Kamera seiner Eltern. Noch bevor er die Schule abschloss, drehte er regelmäßig erste Kurzfilme.
1970 begann van Sant ein Studium der Kunst und Grafik an der „Rhode Island School of Design“ in Providence. Zu seinen Kommilitonen gehörte u.a. David Bryne, der spätere Gründer der Avantgarde-Pop-Band „Talking Heads“. Im Umfeld der Schule bewegte sich van Sant im Kreis um Pop Art Ikone Andy Warhol und den experimentellen Filmemacher Jonas Mekas.
Nach dem Studium verbrachte van Sant zunächst einige Zeit in Europa, bevor er sich in Los Angeles niederließ. Dort arbeitete er u.a. als Assistent für den B-Movie König Roger Corman. Sein Hauptaugenmerk lag jedoch auf künstlerischen Kurzfilmen, z.b. einer Verfilmung von „The Discipline of DE“ des Beat-Poeten William S. Burroughs. Bevorzugt drehte van Sant dabei auf 16-MM-Film in schwarz/weiß.
Sein Spielfilm-Debüt gab van Sant 1985 mit dem für 25.000 Dollar produzierten Schwulen-Drama „Mala Noche“, das die verhängnisvolle Affäre zwischen einem Verkäufer in einem Schnapsladen und einem mexikanischen Einwanderer schildert. Für „Mala Noche“ wurde er mit zwei „Independent Spirit Awards“ (beste Cinematographie und bestes Drehbuch) ausgezeichnet.
Mit soviel Anerkennung versehen, konnte van Sant seine nächsten Projekte mit einem deutlich höheren Budget umsetzen. Der Roadmovie Drugstore Cowboy, der sich um vier Drogensüchtige dreht, die Krankenhäuser und Apotheken überfallen, wurde im „Lexikon des internationalen Films“ bezüglich seiner „Inszenierung, Fotografie und Darstellung“ als herausragend gewürdigt. Mit „My Private Idaho“ konnte van Sant einen Roadmovie mit vergleichbarer Intensität realisieren, der ein schwules Stricherpärchen (River Phoenix und Keanu Reeves) in einer modernen Version des Shakespeare Stücks „Henry IV“ zeigt.
Durch die großartige künstlerische Umsetzung seiner Filme wurde die Musikvideo-Industrie auf van Sant aufmerksam. Ab 1990 drehte er Clips für Internationale Größen wie David Bowie, Red Hot Chili Peppers, Elton John und Chris Isaak.
Ab 1997 konnte van Sant sich im Kino-Mainstream etablieren. Das von Matt Dillon und Ben Affleck geschriebene Drama Good Will Hunting spielte bei Produktionskosten von 10 Millionen Dollar weit über 200 Millionen Dollar ein. Der Film wurde insgesamt für neun Oscars nominiert, u.a. in der Kategorie „Beste Regie“.
Nach zwei weiteren Mainstream Filmen (eine Neuverfilmung des Hitchcock Klassikers „Psycho“ und „Forrester – Gefunden!“) kehrte van Sant ab Anfang des neuen Jahrtausends in die Arthouse-Szene zurück, da er dort seinem künstlerischem Anspruch gerechter werden konnte. Nach drei für den Zuschauer eher leicht verdaulichen Filmen drehte er nun mit „Gerry“, „Elephant“ und „Last Days“ eine sperrige Trilogie, die das Thema „Tod“ aus verschiedenen Blickwinkeln betrachtet.
Für die biografischen Major-Produktion „Milk“ wurde van Sant 2008 zum zweiten Mal in der Kategorie „Beste Regie“ für einen Oscar nominiert. In dem packenden Drama spielt Jean Penn den 1978 ermordeten schwulen Bürgermeister von San Fransisco: Harvey Milk.
Van Sant geht offen mit seiner Homosexualität um. Dazu gehört es für ihn auch, viele seiner Charaktere oder komplette Filme in einem schwulen Milieu anzusiedeln. Zudem ist es typisch für van Sant, dass seine Protagonisten oft auf der Verliererseite des Lebens stehen. Es handelt sich vielfach um entfremdete, verzweifelte junge Männer mit gravierenden psychischen Problemen, die weder mit sich selbst, noch mit ihren Mitmenschen zurechtkommen. Van Sant meinte dazu in einem Interview: „Ich interessiere mich für soziopathische Menschen – sowohl in meinen Filmen, als auch in meinem Leben“.
Anfang der Achtziger spielte van Sant in der Indie Rock Band „Destroy All Blondes“. Die damals entstandenen Demo Aufnahmen veröffentlichte er 1997 auf einem Album mit dem Titel „18 Songs about Golf“. Bevor seine Filmkarriere richtig ins Rollen kam, hatte van Sant zudem 1985 ein selbstbetiteltes Solo Album veröffentlicht.
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